Freitag, 17. Februar 2012

Funktionärswatch 2

Und schon wieder eine Mail bekommen mit der Bitte um Stellungnahme. Wegen verschiedener Politiktermine habe ich erst drei Tage später drauf geantwortet. Schließlich lassen sich solche Fragen nicht schlicht mit ja oder nein beantworten. Aber lest selbst:
Lieber Genosse Horst Reinert,
gerne möchte ich dich als Vorsitzender des Stadtverbandes Göttingens um Kommentierung eines Antrages der Arbeitsgemeinschaft Jusos in deinem Stadtverband bitten.  
Die Arbeitsgemeinschaft Jusos in Göttingen stellte in ihrem dritten Antrag „Die Rote Hilfe unterstützen – Solidarität leben!“, dass es zu begrüßen wäre, wenn alle  Juso-MitgliederInnen der Roten Hilfe beitreten würden und „deren politischen Aktivitäten und Ziele nach Tat und Kraft solidarisch unterstützen.“ (http://www.jusos-goettingen.de/uploads/media/Antraege2011.pdf)
Hallo xxxxx,
zuerst einmal etwas grundsätzliches:
Die Jusos sind eine Arbeitsgemeinschaft, die beschließen kann, was sie will, und ihren Mitgliedern empfehlen kann, was sie will. Der Antrag zur Roten Hilfe ist mit Mehrheit auf einer Juso-MV beschlossen worden, aber niemand wird gezwungen, dem zu folgen und Mitglied der Roten Hilfe zu werden. (Übrigens wurde ein ähnlich lautender Antrag auf einer Delegiertenversammlung der SPD abgelehnt.)
Die Rote Hilfe e.V. wird allerdings vom niedersächsischen Verfassungsschutzes als Linksextremist eingestuft und ist als “Unterstützungsorganisation für die linksextremistische Szene eine unverändert große Bedeutung“. In einem Antwortschreiben der Mitglieder von Juso-Stadtverbands- und Unterbezirksvorstand hieß es dazu: „Was die Einschätzung des niedersächsischen Verfassungsschutzes bezüglich der Roten Hilfe betrifft, so sind wir darüber einig geworden, dass wir diese nicht teilen.“
Das sehe ich ähnlich wie die Jusos. Und über den Extremismusbegriff haben wir nun schon oft genug hier diskutiert und festgestellt, dass er  – verkürzt gesagt – lediglich dazu dient, die Linke zu verteufeln und die Rechte zu verharmlosen. Jahrzehnte politischer Aktivität und eigene Erfahrungen mit dem Verfassungsschutz haben mich gelehrt, ein gesundes Misstrauen dem VS gegenüber zu entwickeln. Und nicht zuletzt die seit etlichen Wochen veröffentlichten Erkenntnisse über das Versagen des VS bezüglich der NSU zeigen doch, dass diese Herrschaften – wie von uns schon immer befürchtet – auf dem rechten Auge blind sind und lieber linke Demonstranten (auch Jusos, SPD-Mitglieder und Gewerkschafter) bespitzeln, anstatt rechte Mörder dingfest zu machen.
Ich kann dem nicht zustimmen, besonders deshalb, weil die Rote Hilfe e.V. auf ihren Internetseiten deutlich und in klarer Sprache auffordert, sich mit den linkextremistischen Terroristen der RAF oder der baskischen ETA in Spanien zu solidarisieren.
Bei der Roten Hilfe geht es um Rechtsschutz. Und der muss in unserem demokratischen Staat allen gewährt werden. Wenn man deiner Argumentation folgen würde, müsste man auch die Anwälte von z.B. Kinderschändern oder Vergewaltigern mit deren Klienten in einen Topf werfen. Auch Anders Breivik, der im letzten Jahr in Norwegen zahlreiche Jusos ermordet hat, bekommt dort ein rechtsstaatliches Verfahren. Das sind Dinge, die manchmal schmerzhaft sind, die wir aber für den Erhalt unseres freiheitlich-demokratischen Systems ertragen müssen.
Dieses steht im Widerspruch mit der sozialdemokratischen Politik von Bundeskanzler Helmut Schmidt. 
Sozialdemokratische Grundsätze auf die Politik Helmut Schmidts zu reduzieren, halte ich für abwegig. Ich sehe die Wurzeln der SPD eher bei Rosa Luxemburg, August Bebel und Willy Brandt, auch wenn letzterer den "Radikalenerlass" mitzuverantworten hat. (Damals haben die Göttinger Jusos übrigens auch – mit Billigung des SPD-Stadtverbands – aktiv in der "Initiative gegen Berufsverbote" mitgearbeitet, obwohl es auf Bundesebene der Partei einen "Unvereinbarkeitsbeschluss" gab und wir mit Sicherheit auch vom Verfassungsschutz ausgiebig beobachtet wurden.)
Ich sehe deshalb mit großer Sorge, dass die Göttinger Jusos mittlerweile zum „Juso-Montag“ Mitglieder der Rote Hilfe e.V. ins Parteihaus der SPD einlädt und gemeinsame Veranstaltungen organisiert,
Unser Parteihaus wird dadurch bestimmt nicht "kontaminiert". Wir diskutieren auch mit CDU- oder JU-Mitgliedern ohne zu befürchten, dass wir nach zwei Stunden Diskussion alle "umgedreht" werden.
und Juso-Mitglieder aktiv wirbt, Teil eines linksextremistischen Netzwerkes zu werden. Einige Vorstandsmitglieder sind ebenfalls Mitglieder der linksextremen Gruppe.
Wenn einzelne Mitglieder unserer Partei einer Selbsthilfeorganisation beitreten, ist das deren private Entscheidung (solange es kein Nazi-Verband ist oder auf andere Art unseren Grundsätzen widerspricht). Und da – gerade in Göttingen – auch viele Jusos Bekanntschaft mit staatlicher Repression gemacht haben, ist es nur allzu verständlich, dass sie sich zumindest vor den Folgen schützen wollen. Da diese Repression politischer Natur ist, ist es auch nachvollziehbar, wenn sich die Betroffenen eher bei einer politischen (linken) Organisation Rechtsschutz holen als bei einer privatkapitalistischen (z.B. ARAG).
Meine Fragen lautete in diesem Zusammenhang: Wie bewertest du den Antrag III der Jusos?
siehe oben
Wie bewertest du die Rote Hilfe e.V.? Stimmst du dem niedersächsischen Verfassungsschutz zu, dass die Rote Hilfe e.V. eine linksextremistische Organisation ist? Sollte Linksextremismus bekämpft werden?
Ich habe meine Probleme mit dem Begriff "Linksextremismus". Wer den kritiklos übernimmt und ihn obendrein im Zusammenhang mit dem Begriff "Rechtsextremismus" verwendet (und beide mehr oder weniger gleichsetzt), verharmlost damit rechte Mörderbanden, die ein ideologisch verblendetes, rassistisches, fremdenfeindliches und menschenverachtendes Weltbild haben.
Was ist deine Position zu der Kooperation zwischen der Roten Hilfe e.V. und den Göttinger Jusos? 
Ganz einfach: Das ist keine Kooperation, sondern die individuelle Mitgliedschaft einzelner Jusos bei der Roten Hilfe. Und wenn man sich die Satzung der Roten Hilfe ansieht, ist dort nichts zu finden, das menschenverachtend, rassistisch oder fremdenfeindlich ist (und übrigens auch nichts, was unseren demokratischen Rechtsstaat in irgendeiner Form in Frage stellt oder aufweichen würde).

Ich hoffe, das reicht dir vorerst als Antwort. Wenn du aus xxxxxx zurück bist, können wir gerne weiterdiskutieren.

Mit sozialistischen Grüßen
Horst



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