Mittwoch, 15. Juni 2011

Das Danaer-Geschenk der Landesregierung

Mit dem „Zukunftsvertrag“ in die Falle

Alle Schulden weg, auf einen Schlag – das klingt verlockend. Und in den nächsten Jahren einen ausgeglichenen Haushalt abliefern – auch das eine Sache, die sich viele oder gar alle Wünschen. Die Landesregierung hat mit ihrem „Zukunftsvertrag“ jedenfalls viele zum Nachdenken gebracht, und manche mittlerweile schon auf die Palme, wenn sie nur daran denken, was das für Auswirkungen für die Stadt Göttingen haben könnte.

Die CDU war schon immer gegen Verschuldung; Sozialpolitik, Soziokultur, Bildung, Frauenhaus und dieses ganze „Gedöns“ waren auch nie deren Ding. Und irgendwas verkaufen (Stadtwerke, Städtische Wohnungsbau) fanden die auch nie schlecht. Also sind sie selbstverständlich dafür.

Dass Die Linke schon immer gegen alles (und jede Kürzung, egal wo) ist, ist nicht neu. Die sind aber auch nicht in der Verantwortung, ernsthafte Vorschläge für Gegenfinanzierung zu machen. Der Ruf nach Verstaatlichung der Banken und Enteignung der Kapitalisten hilft jedenfalls gerade nicht weiter.

Diejenigen, die es sich leisten können, grün zu wählen, können auch höhere Preise fürs Theater zahlen und ihr(e) Kind(er) notfalls auf eine Privatschule schicken. Die klassischen Grün-WählerInnen könnten also Kürzungen durchaus verkraften und würden über eine Schließung zum Beispiel der musa auch nicht in Tränen ausbrechen.

Und die FDP? Die wollte schon immer privatisieren und das Tafelsilber verkaufen, um einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Andererseits: Wer würde denen noch eine Zukunft voraussagen?

Bleibt mal wieder die SPD, die anfängt, erstmal alles abzuwägen, durchzurechnen und auf den Prüfstand zu stellen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Dass wir uns in der Zwischenzeit schon mal üble Beschimpfungen anhören müssen, weil wir angeblich schon längst die eine oder anderer Entscheidung getroffen haben, daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Die meisten wollen (und können) wohl nicht verstehen, dass wir uns mit solchen Entscheidungen schwer tun.

Wie auch immer: Mit der Entscheidung, sich die Option offen zu halten, ist nichts weiter beschlossen als … sich die Option offen zu halten. Wäre ja blöd, gleich nein zu sagen und nach langer Diskussion feststellen zu müssen, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, sich auf den „Zukunftsvertrag“ einzulassen. Denn eins ist klar: Wenn sich die Stadt nicht auf das Angebot einlässt, bedeutet das noch lange nicht, dass alles so weitergehen kann wie bisher, wenn nicht gerade die Steuereinnahmen plötzlich sprudeln oder ein Märchenprinz kommt, der die Schulden bedingungslos übernimmt. Für alle Varianten müssen verlässliche Zahlen und Zeitpläne vorgelegt werden, denn nur aus einem Gefühl heraus sollte nicht entschieden werden.

Der Realist ist Pessimist, und deshalb lautet für mich die Frage eigentlich nur: Was ist schlimmer? Gleich massive Einschnitte zu machen oder langsam und stetig – oder im günstigsten, wenn auch nicht wahrscheinlichen, Fall auch gar nicht – ans Eingemachte gehen?
Und: Wer soll die Entscheidung darüber treffen? In welcher Form? Und wer entscheidet im Zweifelsfall, was in welcher Höhe an welchen Stellen gekürzt wird oder wie Mehreinnahmen generiert werden?

Wenn die SPD in ihrem Wahlprogramm mehr Bürgerbeteiligung fordert, wann, wenn nicht über den „Zukunftsvertrag“? Eine Bürgerbefragung wie im Fall der Südspange scheint hier sinnvoll zu sein, zumal sich dabei die Vernunft durchgesetzt hat. Ob vor, mit oder nach der Kommunalwahl, sollte sorgsam überlegt werden. Eine Befragung kann und darf jedenfalls erst durchgeführt werden, wenn alle Szenarien und alle Zahlen auf dem Tisch liegen und den Leuten auch klar ist, worüber und mit welchen Konsequenzen sie letztendlich abstimmen.

Den Befürwortern einer Bürgerbeteiligung (und dazu zähle ich mich auch) sollte dabei klar sein, dass diese unter Umständen zu Ergebnissen führen könnte, die manche nur schwer verkraften würden, insbesondere, wenn man auch über einzelne größere Summen abstimmen ließe. Ob GSO oder musa danach noch existieren würden, lässt sich durchaus bezweifeln. Ebenso könnten unser Busnetz, die Freibäder, Jugendzentren usw. unters Fallbeil der Mehrheit kommen. Ich vertraue jedenfalls nicht blind auf Schwarmintelligenz, und das wird auch eine Entscheidung schwer machen, in welcher Form und in welchem Umfang abgestimmt werden soll.

Die SPD sollte schon jetzt klären, wo die Schmerzgrenze ist, denn sowohl Privatisierungen als auch Einschnitte bei der Daseinsvorsorge sollten für uns tabu sein, genau so wie das Planieren der Kulturszene. Dann vielleicht doch lieber eine City-Maut einführen oder eine Steuer auf Plastiktüten. Oder eben keinen „Zukunftsvertrag“.

Einfache Rezepte gibt es derzeit jedenfalls nicht, ein „Weiter so!“ auf Dauer aber wohl auch nicht. Politischer Gestaltungsspielraum wird mit oder ohne „Zukunftsvertrag“ nicht wachsen. Wer etwas anderes behauptet, vernebelt die Hirne der WählerInnen. Jetzt hilft nur noch Dialektik. Und Ehrlichkeit. Auch wenn’s weh tut.