Dienstag, 14. Februar 2012

Funktionärswatch 1

Auch wenn ich (zum Glück) kein Abgeordneter in irgendeinem Parlament bin, bekomme ich doch hin und wieder Mails zugeschickt, die ich beantworten soll. Das mache ich natürlich, aber weil es nicht auf abgeordnetenwatch.de ist und somit dort nicht veröffentlicht wird, werde ich es an dieser Stelle tun. Könnte ja für andere auch interessant sein.

Hier also Teil 1

Die Frage:
Am 11.02.2012 um 14:10 schrieb xxxxx xxxxx:

Sehr geehrter Abgeordneter Horst Reinert,
Nicht nur hier sondern auch andern Ortes setzen sich Problemlösungen durch, die so nicht von der Bevölkerung gewollt werden, oder die der Bevölkerung unter fragwürdigem Einsatz von Information untergeschoben werden. Das betrifft aber nicht nur ungewollte Polizeipräsidenten sondern die gezielte Verwendung staatlicher Hoheitsrechte gegen den und nicht im Sinne der Bürger. Erinnern möchte ich hier an eine fragwürdige Großrazzia in der Musa, während andere Discotheken so etwas nie erleben, genauso wie die Aussperrung politisch interessiert Jugendliche in Zusammenhang mit der JuLeiCa-Ehrung. Es erwächst geradezu das Gefühl, dass hier politische Gruppen durch das demonstrative  Bereitstellen aber auch Einsetzen von Polizei in den Augen der Öffentlichkeit kriminalisiert werden sollen. Was denkt ein unbeschlagener Besuch wenn er beim verlassen des Göttinger Bahnhofes grundsetzlich über Bereitschafts Polizei "stolpert" und das Rathaus augenscheinlich Polizeischutz nötig hat? Neben dem Image der jeweiligen Gruppen nimmt hier auch das Image der Stadt Göttingen und die von Ihren BürgerInnen vertretene politischen Meinungen schaden. Die Kombination von Polizeiaufgebot und Kriminalisierung von politischen Gegnern findet auch in anderen Teilen der Welt etwa dem Tachia-Platz, statt, wo allerdings zusätzlich noch Kleinkriminelle eingeschleust werden. Ganze Städte, wie Homs und Da´ra ,haben hier das irrige Image "kontrolliert" und vielleicht auch "Bewohnt" von ausländischen Terroristen aufgedrückt bekommen. Welches Image wird uns hier aufgedrückt?Ist Herr Kruse die Antwort auf politisches Engagemat, na wenigstens keine Panzer. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es, die Bilder von Panzern vor Homs haben alle gesehen, die Bilder von Polizeieinsetzen  gegen Demonstranten in Göttingen auch. Welches Image bekommt hier die Stadt, ihre BürgerInnen und deren politisch Meinungen? Ist das schon Desinformation mit der sich auch ein Assad an der Macht hält? Nicht im Wort aber in der Tat durch ein übermäßiges Aufgebotes an Polizei einen politischen Gegner ins falsche Licht zu setzen? Die Nachrichtendienste interessieren sich für linke Abgeordnete, welchen Sinn hat eine öffentlich bekannt geheimdienstliche Tat? Wie fühlt jemand der in seiner Heimat unter geheimer Beobachtung steht und wie wirkt sich diese bekannte geheime Beobachtung auf das Bild von Dir in der öffentlichkeit aus? Sehen wir hier eine PR-Kampanie oder den berechtigten Schutz unserer Verfasung? Mit welchen Worten und in welchem Medium kann man einer derartigen Nutzung der Staatsmacht gegen seine Person den begegnen, wenn die Tat des Einsatzes von Geheimdienst und Polizei ihren Schatten auf auf dein Image wirft? Wer veröffentlicht Dich in welcher öffentlichen Breite  wenn Du gesellschaftlich als staatsfeindlich und kriminell betrachtet wirst?
In Syrien wurde das Internet abgeschaltet um die Kommunikation des politischen Gegeners zu behindern  und damit staatlicher Desinformation Tür und Tor zu öffnen. Bei uns wird versucht über die EU das Handelsabkommen „ Acta“ einzuführen, mit dem jedes Datenpäckchen im Internet gescannt werden muß. Fernmelde- und Postgeheimnis gilt nur für die Polizei, die brauch für Abhörmassnahmen eine richterliche Genehmigung. Noch vielleicht?
Ein erneuter Blick auf den "arabischen Frühling" in Nahost und Nordafrika zeigt aber doch die elementare Bedeutung eines möglichst freien Internets für die Selbstorganisation und die Kommunikation der Bürger und damit für das Fundament von Demokratie. Eben jene Selbstorganisation  der Jugend in Göttingen, die von großen, mancher sagt überzogen großen, Polizeizügen eskortiert werden, oder jener Kommunikation am Rundentisch für ein friedliches und demokratisches Göttingen, dem Polizei und Staatsanwalt fern bleiben. Da wird nicht nur Hardliner Politiki umgesetzt, da werden Weichen gestellt und mögliche politisch Gegner im Vorfeld diskreditiert. Von der Ernennung des polizeilichen Führungspersonals bis hin zur Unterzeichnung von Handelsabkommen  werden hier und heute das Image und die Recht von Bürgern und Bürgerinnen zu Gunsten von Macht- und Profitinteressen manipuliert und ich hoffe wir, die Bürger, und die sozialdemokratischen Parteien, das sind Sie,  verschlafen hier nicht  etwas von unangenehmer weiter Tragweite. 
Mfg
            xxxxx xxxxxx
PS: Gerade die deutsche Sozialdemokratie sollte eine historisch gewachsene Skepsis gegenüber Einschränkungen der Bürgerrechte aus dem konservativen (rechten) Lager haben. Stoppt Acta.


Und hier meine Antwort:


Sehr geehrter Herr xxxxx,

vorab gleich mal eine Richtigstellung: Ich bin kein Abgeordneter. Weder bin ich im Orts- oder Stadtrat, geschweige denn im Landtag, Bundestag oder gar im Europaparlament. Ich bin "nur" der Vorsitzende des SPD-Stadtverbands Göttingen, und in dieser Eigenschaft werde ich antworten.

Doch nun zu Ihrem Schreiben: Ich fasse das mal unter drei Themen zusammen, nämlich ACTA, Staatsterrorismus in den arabischen Ländern bzw. im sogenannten Nahen Osten und Polizeistrategie in Göttingen.

1. Zum Thema ACTA kann ich nur sagen, dass wir das in Göttingen noch nicht eingehend diskutiert haben, aber davon auszugehen ist, dass hier eine große Mehrheit dagegen ist. Eine Diskussionsveranstaltung dazu ist in den nächsten Wochen geplant. Die kritische Haltung der Göttinger SPD gegenüber solchen Ansinnen wie ACTA, SOPA und PIPA entspricht einem aufgeklärten Grundmisstrauen, das wir z.B. auch gezeigt haben, als es um den sogenannten Bundestrojaner ging. Auch damals haben wir eindeutig dagegen Stellung bezogen.

2. Der "Arabische Frühling" hat auch bei uns viele Hoffnungen geweckt, die aber im Laufe der letzten Monate einer Ernüchterung gewichen sind. Insbesondere die Situation in Syrien erfüllt uns mit Abscheu, weil dort alle unsere sozialdemokratischen Ideale von einem menschenverachtenden Regime mit Gewalt bekämpft werden. Auch hierzu planen wir in den nächsten Wochen eine Diskussionsveranstaltung und hoffen, damit ein wenig zur Aufklärung beitragen zu können.

3. Die derzeitige Strategie der Göttinger Polizei halten auch wir für falsch und nicht unbedingt deeskalierend. Die Versuche, kritische Menschen zu kriminalisieren, haben wir immer wieder kritisiert. Als Beispiele seien hier nur die DNA-Entnahme von Martin R. sowie der Polizeieinsatz anlässlich der NPD-Demo in Northeim im letzten Jahr genannt. Hier haben wir eindeutig in Pressemitteilungen Stellung bezogen, auch wenn wir uns dadurch bei der Polizei nicht gerade beliebt gemacht haben. Von der Einkesselung in Northeim und anschließend am Bahnhof Göttingen waren etliche von uns selbst betroffen, und beim Termin der DNA-Entnahme von Martin R. war ich gemeinsam mit unserer Landtagsabgeordneten Gabi Andretta anwesend, um unsere Solidarität zu bekunden. (Der Text zur Resolution des Stadtrats gegen den Polizeieinsatz im ZHG anlässlich des Besuchs von Innenminister Schünemann stammt übrigens auch von der SPD.)

Wie eingangs erwähnt, stellt dies nur die Position der Göttinger SPD bzw. meine eigene dar. Auf Landes- und Bundesebene mag dies in manchen Punkten unter Umständen leicht abweichen. Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind für uns jedenfalls keine hohlen Phrasen, sondern gelebte Demokratie, für die wir immer kämpfen werden.

Unsere Veranstaltungstermine werden wir rechtzeitig über unsere Homepage sowie Facebook und Twitter bekanntgeben. Ob die örtliche Presse das auch tut oder eher ignoriert, liegt leider nicht in unserem Einfluss.

Wenn Sie noch weiteren Klärungsbedarf haben, bin ich gerne bereit, darüber zu diskutieren. Auch bei einem persönlichen Gespräch.

Viele Grüße und schönen Sonntag

Horst Reinert

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