Dienstag, 30. August 2011

Zum Ramadan-Fest

‎‫عيد الفطر‬

Mein Redemanuskript zum Ramadan-Fest am 30.8.2011 in der Aula am Waldweg.
(Es gilt das gesprochene Wort)

Zuerst einmal vielen Dank für die Einladung. Es ist mir eine Ehre, hier vor Ihnen sprechen zu dürfen, und ich weiß das zu würdigen.

Ich möchte beginnen mit etwas Persönlichem:
Ich bin von meiner Familie – allesamt Sozialdemokraten und Gewerkschafter –
immer im Sinne von Freiheit und Toleranz erzogen worden. Hierzu ein paar Beispiele:
Ein- oder zweimal im Jahr schlug eine Zigeunersippe (damals kannte man die Begriffe Sinti und Roma noch nicht) für ein paar Tage ihr Lager 100 Meter entfernt von unserem Haus am Fluss auf. Mein Vater ging immer mit mir dorthin und unterhielt sich mit den Menschen, die für mich als Kind schon sehr fremd und exotisch wirkten.
Meinen täglichen Weg in die Grundschule ging ich dann oft zusammen mit einem Klassenkameraden mit dunkler Hautfarbe (damals kannte man außer dem Wort „Neger“ noch keinen anderen Begriff, meinte das aber auch nicht abfällig).
Bei meinem Onkel lernte ich einen seiner besten Freunde kennen – einen Juden.
Als dann die Gastarbeiter nach Deutschland kamen, bekam ich über meinen Vater, der in einer Fabrik arbeitete, Kontakt zu Griechen und Italienern – Türken kamen erst später nach Deutschland. In den Schulferien hatte ich dann die Griechen und Italiener als Arbeitskollegen und habe meine ersten Brocken Italienisch gelernt.
1970 bin ich dann – mit 16 Jahren – in die SPD eingetreten. Mein großes Vorbild war Willy Brandt, und die SPD eine internationalistische Partei.
Im Studium hatte ich zum ersten Mal Kontakt mit Muslimen und habe gelernt, dass diese besondere religiöse Vorschriften zum Beispiel bezüglich der Speisen und Getränke haben. Für uns Nicht-Muslime war es zwar etwas fremd, aber es war auch selbstverständlich, dies zu respektieren.
Jetzt arbeite ich beim Studentenwerk im Kulturbüro und habe fast täglich mit ausländischen Studierenden zu tun: Afrikaner, Russen, Polen, Türken, Südamerikaner, Chinesen, Koreaner.
Und ich erfahre dadurch fast täglich, wie unterschiedlich unsere Kulturen – selbst im Vergleich zu Nachbarländern wie Frankreich oder Österreich – sind. Das ist spannend, lehrreich … und es erweitert den Horizont, also das, was man neudeutsch interkulturelle Kompetenz nennt.
Am letzten Samstag war ich zum ersten Mal beim Fastenbrechen, am Sonntag zum ersten Mal in einer Moschee, ebenfalls zum Fastenbrechen. Auch da habe ich wieder viel gelernt über andere Kulturen und Religionen.
Mein Fazit aus all diesen Erfahrungen ist, dass es wichtig ist, aufeinander zuzugehen, einander zuzuhören und vor allem einander zu respektieren. Bei aller Unterschiedlichkeit in Hautfarbe, Herkunft, Religion und kulturellen Einflüssen. Nur so ist es uns möglich, friedlich und freundschaftlich miteinander – und nicht nebeneinander – zu leben.
Parallelgesellschaften – welcher Art auch immer – darf es in unserem Land nicht geben!
Ein gutes Beispiel für interkulturelle Kompetenz und Akzeptanz ist für mich der Kindergarten des Studentenwerks. Dort gibt es Kinder aus allen Kontinenten, mit allen Hautfarben, mit verschiedenen Religionen. Dort wird Weihnachten genauso gefeiert wie das Zuckerfest und Feste aus anderen Kulturen und Religionen – und es wird den Kindern erklärt, warum das so ist.
Das sollte für uns alle ein Vorbild sein: Gemeinsam die Feste zu feiern und dabei einander besser zu verstehen und das jeweils Andere oder den jeweils Anderen zu akzeptieren, ohne ihn zum eigenen Glauben bekehren zu wollen, denn für mich sind Glaube und Religion Dinge, die nachrangig sind. Mir ist es egal, ob jemand Jude, Atheist, Christ, Moslem oder Hindu ist oder noch an die sogenannten heidnischen Götter glaubt. Wichtig ist der Mensch, nicht seine Religion oder Hautfarbe oder geografische Herkunft.
Und deshalb steht auch in unserem Wahlprogramm:
„Göttingen ist eine weltoffene Stadt. Menschen aus allen Kontinenten und vielen Kulturen leben hier. Unabhängig davon, ob sie in Göttingen arbeiten, studieren, zur Schule gehen oder als Familienangehörige hier leben: Sie alle sind uns willkommen, denn sie bereichern das Stadtleben und beleben die kulturelle Vielfalt in unserer Stadt. Darum bedeutet Integration für uns das gleichberechtigte Miteinander. Für Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Faschismus ist in unserer Stadt kein Platz.“

Manche würden jetzt vielleicht sagen: „Schön und gut, aber ihr habt auch den Sarrazin in eurer Partei, der sich ziemlich abfällig über manche Ausländer und insbesondere über Muslime geäußert hat.“
Stimmt. Der ist leider noch Mitglied der SPD. Aber bei so einem hört bei mir die Toleranz auf.
Und eins kann ich ihnen mit voller Überzeugung sagen: Hier bei uns in Göttingen wäre dieser Mann längst aus der Partei geflogen, denn Sarrazins Positionen sind überhaupt nicht vereinbar mit denen der Göttinger SPD. Das können Sie alleine schon an unseren Kandidatinnen und Kandidaten sehen, von denen einige – wenn auch noch nicht genug – einen Migrationshintergrund haben.

In diesem Sinne bitte ich Sie:
- Mischen Sie sich ein in unserer Gesellschaft
- Werden Sie politisch aktiv (am besten natürlich in der SPD)
- Gehen Sie am 11. September zur Wahl (und wählen am besten die SPD und ihre Kandidatinnen und Kandidaten)
Danke