Dienstag, 28. Dezember 2010

Farce oder Tragödie?

Am 5. Januar 2011 soll einem jungen Mann eine DNA-Probe entnommen werden, weil er im Januar 2010 anlässlich einer Demonstrationen einen Böller auf einen Polizisten geworfen haben soll.
Als gelegentlicher Krimi-Konsument weiß man, dass DNA-Spuren manchmal das einzige Beweismittel sind, und fragt sich jetzt, ob die Polizei womöglich in den Explosionsresten des Böllers DNA gefunden hat und diese mit der des vermeintlichen Täters abgleichen will. Andererseits fragt man sich dann aber auch, wie Polizei und Staatsanwaltschaft darauf kommen, dass es sich ausgerechnet um diese Person handeln soll. Gibt es vielleicht Zeugen? Dann dürfte die DNA-Probe eigentlich überflüssig sein, es sei denn, die Zeugen sind nicht glaubwürdig.
Oder handelt es sich (mal wieder) um einen Einschüchterungsversuch, weil der Beschuldigte der „linken“ Szene zugerechnet wird? Und wäre dies dann ein weiterer Mosaikstein in der Politik der Strafverfolgungsbehörden, die „Szene“ mürbe zu machen? Auch wenn alle diese Maßnahmen letztendlich von den zuständigen Gerichten als unzulässig abgewiesen bzw. beanstandet werden.
Mit Deeskalation hat das jedenfalls nichts zu tun. Im Gegenteil: Hier wird noch weiter die Provokationsleiter hinaufgeklettert, als es in der Vergangenheit üblich war. Schon in den frühen 80er Jahren, zu Zeiten der vielen Hausbesetzungen in Göttingen (und anderswo) musste man als polizeibekannte Person mit allerlei Schikanen rechnen, bei der Fahrt mit dem Auto ständig Kontrollen über sich ergehen lassen oder auch schon mal beschuldigt werden, bei Rot über die Kreuzung gefahren zu sein (Was ist schon die Aussage eines Juso-AStA-Mitglieds gegen die Aussage von zwei POM als Zeugen? Da hat man sowieso keine Chance und bezahlt lieber die 20 DM, auch wenn’s weh tut.)
Auch mit Anzeigen musste damals der/die eine oder andere rechnen, auch wenn diese auch damals schon vor Gericht keinen Bestand hatten wie im Fall eines jungen Mannes, der beschuldigt wurde, während einer Demo einen Stein in Richtung eines Polizisten geworfen zu haben. Im Laufe der Verhandlung konnte der Zeuge (ein in der Hausbesetzer-Szene namentlich bekannter Zivi) den Beschuldigten nicht nur nicht identifizieren, er konnte nicht einmal sagen, ob wirklich ein Stein geflogen ist. Der Angeklagte wurde natürlich freigesprochen :-)
All das hat denen, die davon betroffen waren, natürlich keinen Spaß bereitet, aber es waren Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was jetzt praktiziert werden soll. Denn jetzt wird mit Kanonen auf Mücken geschossen und ein Klima der Einschüchterung erzeugt, das mit einem demokratischen Rechtsstaat nicht viel zu tun hat und die Verhältnismäßigkeit der Mittel vermissen lässt. Und ich frage mich, wann, wenn es so weiter geht, nicht nur autonome Linke betrofffen sind, sondern auch Sozialdemokraten. Nach der Absage von Polizei und Staatsanwaltschaft, sich zu einem „Runden Tisch“ zu treffen, scheint das Feindbild jedenfalls klar zu sein.
Wenn sich Geschichte wiederholt, so hat Marx einmal geschrieben, dann entweder als Farce oder als Tragödie. Ich hoffe, dass die geplante DNA-Entnahme nur als Farce in die Göttinger Geschichtsbücher eingehen wird.

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