Dienstag, 29. November 2011

Betreutes Einkaufen bei Netto

Es reicht nicht, auf Parteiversammlungen wuchtige Resolutionen zu verabschieden und die Solidarität der SPD mit den Beschäftigten von dieser oder jener Firma im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen oder zum Erhalt der Arbeitsplätze zu bekunden. Wir müssen auch mitmachen.
So geschehen heute, und zwar mal wieder beim „Markendiscounter Netto“. Das war für mich in diesem Jahr schon die Dritte Netto-Aktion, diesmal in Nörten-Hardenberg, und mit Abstand die kurioseste. Aber der Reihe nach:
Zuerst sollten ein paar Leute schon mal in den Laden gehen und in den Regalen zwischen der „Trockenware“ kleine Zettel mit Informationen über die schlechten Arbeitsbedingungen bei Netto hinterlegen. Anscheinend führt das Unternehmen eine gut sortierte Foto-Kartei, denn schon als ich mit meinem Einkaufswagen durch die Tür kam, hieß es: „Der erste ist gerade reingekommen.“ Und von da an wurde ich verfolgt. Zwar schaffte ich es anfangs noch, ein paar Zettel zwischen Kaffee, Keksen, Nudeln und Soßenbinder zu hinterlegen, aber meine Verfolgerin hatte das wohl gut beobachtet und nahm die Zettel wieder raus – und ich bekam eine zweite Betreuerin. Die rückte mir so auf die Pelle (übrigens auch, als ich Ware in meinen Einkaufswagen legte), dass ich sie fragte, ob sie mich etwa heiraten wolle. Was sie natürlich entrüstet verneinte.
Versuche, die beiden abzuschütteln, scheiterten an ihrer Hartnäckigkeit. Aber immerhin hatte es ein Kollege, der wohl auch noch nicht in deren Foto-Datei ist, geschafft, fast die gesamte Stunde seine Zettel zu plazieren.
Kurz vor der Kasse wollte ich wenigstens noch ein Foto von den beiden jungen Frauen machen, aber das gefiel denen überhaupt nicht. Sie zogen sich ihre Kapuzen und drehten sich um. Was die eine jedoch nicht daran hinderte, von mir das Löschen des Fotos zu verlangen. („Ich habe gesehen, wie Sie fotografiert haben. Ich habe auch ein iPhone.“) Ich zeigte ihr dann freundlich das Foto, auf dem nur schemenhaft eine Person von hinten mit übergezogener Kapuze zu sehen war. Das Foto habe ich dann zu Hause gelöscht, weil es nix hergibt.
Dann an die Kasse, bezahlen und schnell raus. Vor der Tür stand schon Polizei, einige KollegInnen mit Fahnen und Plakaten … und dieser Netto-Mufti, der uns schon in Göttingen auf die Nerven ging. Er drehte sich zu mir um und sagte: „Sie haben doch schon in der Güterbahnhofstraße Hausverbot. Hier haben Sie jetzt auch Hausverbot.“ Na toll. Ich war ja nicht der einzige, sondern wir alle bekamen Hausverbot erteilt. Natürlich auch für den Parkplatz. Und die beiden juristisch etwas überforderten Polizisten versuchten uns dann ganz höflich zur Straße zu begleiten.
Trotzdem hat sich das einstündige Frieren gelohnt: Die Aufmerksamkeit der KundInnen haben wir bekommen, und viele, die ein Flugblatt in die Hand gedrückt bekamen, sagten, dass sie durchaus über die Zustände bei Netto informiert seien. Und die Marktleiter-Fürsten wissen, dass sie nach wie vor unter Beobachtung stehen.
Der Kampf geht weiter!

1 Kommentar:

  1. Dem Bericht ist wenig hinzuzufügen. Die Aktion hat Spaß gemacht und sollte andernorts bei Zeiten wiederholt werden. Das Feedback der Kundschaft war überwiegend solidarisch mit den Anliegen der Netto-Beschäftigten, nicht zuletzt weil offenbar viele aus eigener Erfahrung im Familien- und Freundeskreis derart prekäre Beschäftigungsverhältnisse im Einzelhandel kennen. Und Netto ist derzeit der Spitzenreiter in Sachen Lohndumping und unbezahlter Arbeitszeit, gepaart mit gezieltem Mobbing der Belegschaft.
    Anbei die aktuelle Presseerklärung von ver.di:

    Netto Neueröffnung in Nörten-Hardenberg von ver.di Protest begleitet

    Für korrekte tarifliche Bezahlung, geregelte Pausen, Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze und bezahlte Mehrarbeit zeigten am Dienstag, den 29. November 2011 etwa 20 GewerkschafterInnen Flagge.

    Dabei zeigten sich die Kunden und Kundinnen sehr interessiert an den Informationen über die vielerorts gesetzesüberschreitenden Arbeitsbedingungen bei dem Discounter.

    Der Netto Vertriebsleiter wiederum sprach erneut Hausverbote für GewerkschafterInnen aus. Darüber hinaus fotografierte er die protestierenden Beschäftigten und UnterstützerInnen und wurde zum Bedauern der Gewerkschaft ver.di schließlich gegenüber der Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp ausfallend.

    „Das ist genau der Ton, dem viele Beschäftigte tagtäglich ausgesetzt sind“, so Julia Niekamp. „Wir werden Netto so lange im Nacken sitzen, bis sich das Unternehmen EDEKA an alle Gesetze hält“.

    Für den Vorsitzenden des SPD Stadtverbandes Horst Reinert, der die Aktion unterstützte war die Protest- Kundgebung ein voller Erfolg
    „..und die Marktleiter-Fürsten wissen, dass sie nach wie vor unter Beobachtung stehen.“ resümiert Reinert auf seinem Internet- Blog.

    AntwortenLöschen